Was hat das mit mir zu tun?
Ist es nicht witzig, dass manchmal Dinge um uns herum passieren, die im Grunde gar nichts mit uns zu tun haben und dennoch regen wir uns darüber auf? Manchmal macht jemand anderes irgendwas, oder sagt seine Meinung zu einem Thema und es ärgert uns. Manchmal hören wir durch Zufall am Nachbartisch eine Aussage einer fremden Person und sind richtig empört. Oder aber wir sehen, wie jemand etwas tut, das nicht mal im entferntesten etwas mit uns zu tun hat und wir haben schlechte Laune. Wieso ist das so?
Ich merke, wie ich selbst mit der Zeit schon viel lockerer geworden bin. Und doch gibt es immer wieder gewisse „Trigger“-Punkte, die mich zur Weißglut bringen können.
Ich kann mich beispielsweise noch an Zeiten erinnern, als es mich unglaublich genervt hat, schwer verliebte, kitschige Pärchen zu sehen, die miteinander schmusten. Ich habe mich furchtbar darüber aufgeregt. „Müssen sie das allen unter die Nase reiben?“ „Man kanns auch übertreiben!“
Das ist heute zum Glück nicht mehr so. Es treibt mir höchstens noch ein Schmunzeln ins Gesicht, mehr nicht.
Was hat sich geändert? Beziehungsweise was unterscheidet die Menschen, die sich über solche Pärchen aufregen von denen, die das locker lässt?
Ich bin der Meinung, dass es genau dieses persönliche Aufregen ist, das uns ganz viel über uns selbst erzählt. Denn das Problem ist ja nicht das Pärchen, das da schmust. Es ist nicht die Handlung an sich oder die Meinung eines anderen, die uns aufregt.
Was uns aufregt ist lediglich das, was wir selbst darüber denken bzw. dazu fühlen.
Als ich damals so genervt von Pärchen war, hatte ich selbst wohl ein Problem mit diesem ganzen Thema. Mit Sicherheit war es grade eine Phase, in der ich selbst in keiner Beziehung war und nach außen hin erzählte, dass ich das auch nicht will und generell Beziehungen „total doof“ fand.
Offensichtlich, denn sonst hätte ich mich ja nicht über andere aufgeregt. Ob es nun die Tatsache war, dass ich grade sehr verletzt war und deshalb nichts davon wissen wollte oder dass ich mir innerlich vielleicht sogar selbst eine Beziehung wünschte und es nur nicht zugeben wollte, spielt keine Rolle. Die wichtige Schlussfolgerung ist, dass es ganz offensichtlich etwas mit mir, also der Person, die sich aufregt, zu tun hatte und nicht mit dem Pärchen im Außen.
Ich erkläre dieses Phänomen immer gerne mit einem ganz simplen Beispiel.
Angenommen jemand würde zu mir kommen und sagen: „Ich denke alle Menschen mit dem Namen Katarina sind dumm und da du so heißt, schließe ich daraus, dass du dumm bist.“
Was würde das in mir auslösen? Rein gar nichts außer eventuell Belustigung.
Warum?
Diese Aussage ist absolut lächerlich. Was sollte ein von meinen Eltern vor oder kurz nach der Geburt gewählter Name für einen Zusammenhang mit meiner Intelligenz haben? Ich würde mich bei so einer Aussage vielleicht noch zu einem „Ach ja und warum?“ herablassen, doch spätestens, wenn ich merken würde, dass die Person es erst meint, würde ich meine kostbare Lebenszeit sicher nicht mit einer Diskussion verschwenden. Wozu auch? Um diese Person davon zu überzeugen, dass seine Aussage Quatsch ist? Wenn es eine fremde Person ist und sie mit dieser Meinung niemandem schadet, wäre mir das tatsächlich sehr egal, wenn sie das denkt.
Und jetzt folgt eine sehr harte Folgerung daraus. Wenn entsprechend jemand zu mir sagt: „Frauen sind dümmer als Männer.“ und ich mich darüber ärgere, muss es im Umkehrschluss einen vielleicht noch so kleinen, unterbewussten Teil in mir geben, der zum mindest die Möglichkeit in Erwägung zieht, dass da etwas dran sein könnte. Denn genauso wie bei bei der ganz offensichtlich lächerlichen Aussage, müsste ich so auch hier einfach „darüber stehen“.
Ich sage nicht, dass man alle „lächerlichen/schädlichen“ Aussagen und Meinungen einfach so stehen lassen sollte und nichts sagten sollte. Absolut nicht. Mir geht es rein um die erste, persönliche Reaktion, die in uns selbst entsteht.
Denn natürlich gibt es Punkte, auf die fast jeder empört, verärgert oder sogar frustriert reagiert. Ich denke hier an schwere Ungerechtigkeit oder vielleicht auch großes Leid.
Ich verstehe diese Reaktionen nur zu gut und im ersten Moment geht es mir hier nicht anders.
Und doch musste ich mich demletzt fragen, wem diese Empörung eigentlich dient.
Haben die Leidenden etwas davon, dass ich empört bin und dann aber nichts sage oder tue? Und wenn ich etwas dagegen sage, unterstützt meine Empörung oder sogar Aggressivität meine Meinung oder stachel ich den „Täter“ oder den Meinungsäußere eventuell sogar noch mehr an?
Ich glaube, wenn wir verstehen, dass diese erste emotionale Reaktion immer erst mal etwas mit uns zu tun hat und wir uns im ersten Schritt erst mal „um uns“ kümmern, können wir mit unserer darauf folgenden Handlung wesentlich effektiver sein. Wir können ruhiger und souveräner mit den Betreffenden sprechen und so auch mehr bewirken.
Gleichzeitig lernen wir durch dieses persönliche Aufregen so viel über uns selbst. Denn ich denke mir immer: Ein absolut weiser Mensch, würde ebenso auf Ungerechtigkeit reagieren, doch er würde sich dadurch niemals selbst aus dem Gleichgewicht bringen lassen.